Werden - sein - Vergehen

Portaitserie ehemaliger inhaftierter Gefangener der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) übernahm 1951 das sowjetische Gefängnis und nutzte es bis in das Jahr 1989 als zentrale Untersuchungshaftanstalt. Inhaftiert wurden vorwiegend Menschen die sich gegen das kommunistische Regime stellten bzw. der kommunistischen Diktatur im Weg standen. Seit 1994 befindet sich auf dem Gelände der früheren Untersuchungshaftanstalt eine Gedänkenstätte.

 

Informationen, weitere Erläuterungen sowie historische bzw. aktuelle Hinweise zu diesem Ort und seiner Geschichte

Gedenkstätte-Berlin Hohenschönhausen


(...ich engagierte mich im Bund Deutscher Jugend und unternahm Kurierfahrten. So wurde das MfS auf mich aufmerksam. Die Ausrichtung des Bundes wurde bald als antikommunistisch ausgelegt. Danach folgte das Verbot des Verbandes. Meine letzte Kurierfahrt war inszeniert und die Person die ich mitnehmen wollte ein Mitarbeiter des MfS. Ich wurde verhaftet, zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt und verlohr meine bürgerlichen Ehrenrechte.10 Jahre verbrachte ich in Gefangenschaft. Nach meiner Freilassung gelang es mir lange nicht ruhig sitzen zu bleiben. Wurde die Tür zu dem Raum geöffnet in dem ich mich befand, stand ich zum Rapport auf. Diese Haftangewohnheit hatte ich übernommen. Ich konnte sie jedoch zusammen mit anderen Erinnerungen später ablegen und wieder anfangen zu leben...)

Arno


 

(...ich hatte als Kind ein Problem. Meine Mutter erzog mich zur Wahrheit. Die Suche nach Ihr sollte mich mein ganzes Leben lang begleiten. Je länger ich jedoch suchte, desto verdächtiger wurde ich. Später zweifelte ich ein Wahlergebniss an, erstattete Anzeige wegen des Verdachtes auf Wahlfälschung und initiierte mit anderen Montagsdemonstrationen. Danach wurde es unbequem für mich und ich verlor meine Staatsbürgerschaft. - Das Kriterium der Wahrheit ist immer die Realität - davor kann sich niemand verschließen...)

 

Norbert


(...ich wollte nicht weg. Trotz aller politischen Repressionen konnte man ja ein sinnvolles Leben führen, für das man sich heute nicht schämen muss. Ich hatte eine kritische Haltung gegenüber dem Regime, die gelegentlich nicht nur mir, sondern auch Freunden zum Verhängnis wurde. Nach meinem Freikauf konnte ich wunschgemäß im Osten bleiben. Als es möglich wurde, suchte ich Verantwortliche der "Gegenseite" und stellte ihnen die Frage, warum sie Andersdenkende verfolgt haben. Einige hatte mehr - andere weniger Skrupel. Eine Aussage aber vereint sie alle: "Ich war überzeugt, das Richtige zu tun, einer gerechten Sache zu dienen." ...)

 

Gilbert


(...ich wollte mich anfangs nicht an das Geschehene erinnern und konnte mich lange Zeit nicht fotografieren lassen. Als die Bilder für meine Akte gemacht wurden, musste ich in einem hellen Zimmer auf einem Stuhl sitzen und durfe mich nicht bewegen.Es kamen Personen in den Raum die mich nur betrachteten und das Zimmer wieder verließen. Nach vielleicht zwei Stunden wurde die Tür aufgerissen und schnell fotografiert. Mittlerweile kann ich über diese Zeit reden und habe einen einen anderen Zugang zu meiner Vergangenheit... )

 

Jorge

 


(..ich wurde verkauft. 150 West-Mark war mein Preis. Kein Fluchtversuch sondern der Verrat brachte mich in das Gefängnis und bereitete mir seelische und körperliche Schmerzen. Ich konnte das alles nachlesen. Später in meiner Akte fand ich auf manche Fragen - Antworten. Danach brauchte ich eine ganze Weile um anderen Menschen wieder Vertrauen schenken zu können. Mit der Zeit verblassen langsam meine Erinnerungen und sie verlieren etwas an Schärfe. Manchmal wache ich dennoch mehrmals in der Nacht auf. Manche Haftfolgeschäden lassen sich eben nicht so leicht beheben. Jedoch richte ich meinen Blick nach vorne und möchte weiter eine Sache erreichen nämlich Gerechtigkeit...)

Wolfgang

 


 

(...1963 wollte ich die DDR verlassen, die Flucht war wohl gut vorbereitet aber verraten worden. Am Tag-X stand morgens um 6 Uhr nicht der Fluchthelfer sondern 6 Stasi-Mitarbeiter vor meiner Wohnungstür. In vier quälend langen Monaten habe ich unter dem psyschichen Druck alles gestanden was man mir vorwarf. Ich wurde zu 2 Jahren Haft verurteilt, die ich in Berlin Rummelsburg verbüßt habe. Nach insgesamt 17 Monaten Haft wurde ich plötzlich und unerwartet von der BRD freigekauft - Ein unbeschreiblicher Glücksmoment - Im Westen angekommen konnte ich lange nicht über die Umstände meiner Haft sprechen. Das konnte ich erst nach der Wende, nachdem ich meine privaten und beruflichen Ziele erreicht hatte...)

 

Dieter


(...ich wollte mich anfangs nicht an das Geschehene erinnern und konnte mich lange Zeit nicht fotografieren lassen. Als die Bilder für meine Akte gemacht wurden, musste ich in einem hellen Zimmer auf einem Stuhl sitzen und durfe mich nicht bewegen.Es kamen Personen in den Raum die mich nur betrachteten und das Zimmer wieder verließen. Nach vielleicht zwei Stunden wurde die Tür aufgerissen und schnell fotografiert. Mittlerweile kann ich über diese Zeit reden und habe einen einen anderen Zugang zu meiner Vergangenheit... )

 

Jorge

 


 

(...als ich erfuhr, dass ein Freund mein Manuskript nicht in West-Berlin abgegeben hatte, sondern beim MfS, war ich sehr traurig. Als mir dann die Akten sagten, dass 39 Männer und Frauen als IM,s auf mich angesetzt waren, fiel ich in ein tiefes emotionales Loch. Allerdings habe ich auch gelernt, dass Zivilisationen nur dann fortbestehen können, wenn wir immer wieder anderen Menschen einen Vertrauensvorschuss gewähren, auch auf die Gefahr hin, enttäuscht zu werden...)

 

Peter


 

(...mein Opa war gar nicht gestorben. Es gab auch keine Beerdigung, dass war alles gelogen. Mein Vater kannte die Wahrheit. Als ich erfuhr, dass er IM - Inoffizieller Mitarbeiter - gewesen ist und deswege den Westen verlassen musste da seine Aufdeckung zu befürchten war, waren wir bereits in Ost-Berlin angekommen. Die Wahrheit zu erfahren und nicht mehr zurück zu dürfen, dass war schlimm für mich. Die Flucht in den Westen wurde verraten, ich wurde verhaftet und verurteilt. Nach meiner Freilassung konnte ich in die BRD ausreisen. Es dauerte dann eine ganze Weile um meine genommenen Jahre wieder aufzuholen und anderen Menschen Vertrauen schenken zu können...)

 

Thomas


(...ich habe mich in Budapest in der deutschen und amerikanischen Botschaft erkundigt, wie ich die DDR verlassen kann. Die Botschaften wurden jedoch observiert. Ich wurde verhaftet und kurze Zeit später wegen "staatsfeindliche Verbindungsaufnahme" sowie "Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts" zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach meiner Freilassung hielt ich an meinem Ausreisewunsch fest und so konnte ich schließlich die DDR verlassen - Ich kann dass alles nicht vergessen. Es gelingt mir zwar das Geschehene zu verdrängen aber vergessen kann ich das nicht. Heute ist es mir wichtig meine Erfahrungen und Erinnerungen an jüngere Generationen weiterzugeben. Ich möchte dazu beitragen, dass soetwas nicht nocheinmal passiert und dass dieser Teil der Geschichte nicht vergessen wird...)

Edda

 


(...ich bin da eher zufällig reingeraten. Manchmal besuchte ich den Ostteil der Stadt. In einem Café trank versehentlich ein fremder Mann von meinem Glas und so kamen wir ins Gespräch. Wir trafen uns dann öfter im gleichen Café und irgendwann hörte ich von einem Bekannten der in den Westen will. Es war für mich ein Freundschaftsdienst und so planten wir die Flucht im Auto über die bulgarisch-jugoslawische Grenze. Kurz vor der Grenze wurden wir aber verhaftet und anschließend verurteilt. - Einfach Pech gehabt - dachte ich mir. Später konnte ich nachlesen, dass wir von Anfang an observiert worden sind. Ich habe lange Zeit gebraucht um diese Enttäuschung zu überwinden. Dennoch habe ich meine damalige Entscheidung nie bereut und ich würde jederzeit wieder so handeln. Heute möchte ich Menschen dazu ermutigen in schwierigen Situationen weiterzumachen und sich nicht so schnell aufzugeben...)

Wolfgang

 


(...mit 17 Jahren verliebte ich mich in einen Mann aus dem Westen. Er kam mich oft besuchen. Die Welt gehörte einfach nur uns. Ich wollte nicht weg aus der DDR. Bis die Stasi versuchte mich als Informant anzuwerben, weil mein Freund als Politiker nicht uninteressant für Sie war. Als ich die Zusammenarbeit verweigerte, litt ich sehr unter den Repressionen in dieser Diktatur. Die Flucht in den Westen war mein letzter Ausweg. Doch sie scheiterte im ungarisch- jugoslawischen Grenzgebiet, wo ich verhaftet wurde. Kurz darauf wurde ich in die DDR zurückgeflogen und kam in die U-Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Nach drei Monaten wurde ich durch eine Amnestie in die DDR entlassen, mit der Auflage drei Jahre Bewährung. Erst nach einem Protestbrief an Staats-und Parteichef Honnecker durfte ich ausreisen. Jahre später traf ich zufällig meinem ehemaligen Vernehmer aus dem Gefängnis wieder. Ich wollte eine Entschuldigung. Doch er zeigte keine Reue. Dies stürzte mich in eine schwere persönliche Krise, die mich lange Zeit lähmte. Aber ich bin kein Opfer mehr. Denn meine Rache ist zu reden, nicht zu vergessen...)

 

Mario


(...ich konnte das Plakat mit der Aufschrift > Jeder Bürger der DDR hat das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern < nicht entrollen da ich bereits im Vorfeld der Demonstration verhaftet wurde. Ich wollte was ändern und organisierte zusammen mit anderen Friedenswerkstätten und Ökokreise. Wir wurden immer mutiger mit unseren Aktionen und daher rechnete ich bereits zu dem Zeitpunkt mit meiner Festnahme. Dass es eine Verhaftung wurde schockte mich allerdings. Nach der Zeit im Untersuchungsgefängnis wurde ich mit DDR- Paß in den Westen abgeschoben kehrte aber 1989 wieder zurück in die DDR. Als dann mein Sohn und seine Freunde wieder zur Schule zugelassen wurden wußte ich - wir haben gesiegt. Dies ganzen Erlebnisse trübten jedoch nicht mein Vertrauensempfinden gegenüber anderen Menschen und so lebe ich - damals wie heute - mit dem Wissen dass eins nicht in Frage kommt nämlich aufgeben...)

 

Vera